Büdericher Straße

Stadtteil: Kaarst

amtlich benannt am 22. März 1951 durch den Rat der Gemeinde Kaarst, die Verlängerung bis zur Niederdonker Straße wurde benannt am 18. März 1999

frühere amtliche Bezeichnungen: Nordstraße 1913 – 1935 und 1946 – 1951 sowie Schlageterstraße 1935 – 1946

frühere Bezeichnung: Even Kirchweg

heutiger Verlauf: Kirchstraße bis A 52

früherer Verlauf: Osterather Straße (heute Kirchstraße) bis Even Hof (Broicherseite)

Länge der Straße: 1.718 m

Die heutige Büdericher Straße ist dicht bebaut mit ein-und zweigeschossigen Wohnhäusern, die wenige alte Gebäude umschließen. Auch die Städtische Kindertagesstätte mit Familienzentrum liegt an dieser Straße. Mehrere Seitenstraßen, die in neu erbaute Wohngebiete führen, zweigen von der Büdericher Straße ab. Bis zum Bau der Autobahn 52 Ende der 1960er-Jahre führte die Straße nach Büderich, der Nachbargemeinde, nach der die Straße im Jahr 1951 im Rahmen einer allgemeinen Straßenneu- und -umbenennung von einem vom Kaarster Gemeinderat gewählten neunköpfigen Ausschuß zur Umbenennung von Straßen und Ortsteilen in Kaarst benannt wurde. [1] Büderich gehört heute zur Stadt Meerbusch und ist über die Büdericher Straße nicht mehr zu erreichen. Die Straße endet heute an der Autobahn in einem Wendehammer. Seit 1999 führt sie von dort weiter in das zu dieser Zeit entstandene Wohngebiet Niederdonker Straße.

Im Wege-Lagerbuch der Gemeinde Kaarst wird die heutige Büdericher Straße am 5. Mai 1857 als Even-Kirchweg bezeichnet. Der Kirchweg, respektive Verbindungsweg, führte „aus dem Dorfe Kaarst bei Warteler längs der Windmühle und Krützer Kull zum Evenhof“.[2] Erstmalig amtlich benannt wurde die Straße zwischen 1910 und 1913, zusammen mit 13 anderen Straßen in der Gemeinde Kaarst.[3] Damals erhielt sie nach ihrer geografischen Lage den Namen Nordstraße, den sie zunächst bis 1935 behielt. Dann wurde sie am 16. April 1935 in Schlageterstraße umbenannt [4]. Albert Leo Schlageter (1894 – 1923), Offizier im I. Weltkrieg, war ab 1922 Mitglied der rechtsradikalen Großdeutschen Arbeiterpartei. Er schloss sich dem aktiven Widerstand gegen die französischen und belgischen Besatzer im Ruhrgebiet an, wurde 1923 wegen Spionage und Sabotage verhaftet, von einem französischen Kriegsgericht zum Tode verurteilt und auf der Golzheimer Heide bei Düsseldorf hingerichtet. Schlageter diente später der national-sozialistischen Propaganda als Märtyrer.[5]

Am 11.12.1946 wurde die Schlageterstraße auf Anweisung der alliierten Kontrollbehörde hin, die besagte, dass alle Straßennamen, die an Militaristen erinnern, zu ändern sind[6], wieder in Nordstraße umbenannt [7] und am 22. März 1951 erhielt sie schließlich ihren heutigen Namen Büdericher Straße.[8]

Zur Zeit der Erstbenennung gab es sechs Gebäude in der Straße: die Wirtschaft Weyers / Motes, nebenan die Sattlerei Gammersbach, die Häuser von Webers, Brester, Rosenthal und als letztes Gebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite die Kaarster Mühle. An dieser Straßenseite gab es damals Felder, Wiesen und Gärten, nur an der Einmündung zur Mittelstraße stand die Gartenmauer des Kerssenboom / Baumeisterhofes. Gegenüber war die Huf-und Wagenschmiede Baumeister, die in den 1960er-Jahren einer Araltankstelle weichen musste, die wiederum in den 1980er-Jahren aufgegeben wurde. Seitdem ist dort eine KFZ-Werkstatt. Die alte Hufschmiede ist verschwunden und auch die alte Sattlerei Gammersbach, die in den 1970er-Jahren abgerissen wurde, um die Mittelstraße zu verlängern. Die anderen alten Gebäude stehen noch heute.[9]

Kaarst, Büdericher Straße, Blick in die Büdericher Straße: links die Gastwirtschaft Weyers / Motes, daneben die alte Sattlerei Gammersbach und das Webers-Haus, auf der rechten Seite die Tankstelle
Blick in die Büdericher Straße: links die Gastwirtschaft Weyers / Motes, daneben die alte Sattlerei Gammersbach und das Webers-Haus, auf der rechten Seite die Tankstelle
Kaarst, Brüderlicher Straße, In diesem Haus wohnte u.a. der Kaarster Heimatforscher Andreas Pfeiffer.
In diesem Haus wohnte u.a. der Kaarster Heimatforscher Andreas Pfeiffer.

Die Gastwirtschaft „Zum Adler“ wurde seit der Mitte des 19. Jahrhunderts von der Familie Weyers betrieben. Heinrich Weyers war Wirt und Butterhändler und der erste Brandmeister der Freiwilligen Feuerwehr. 1896 wurde der große Saal angebaut.1905 wurde die alte Wirtschaft abgerissen und das heute noch bestehende Gasthaus gebaut. Um 1913 etwa wurde die Wirtschaft von der Familie Motes übernommen, die das Objekt später kaufte. Unvergessen bei der älteren Generation ist die damalige Wirtin Motes Caling (Caroline Motes). Der große Saal wurde wie die anderen Säle im Dorf für alle denkbaren Veranstaltungen genutzt, Kirmes und Karneval, Hochzeiten und Tanzveranstaltungen. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden dort auch Theaterstücke aufgeführt und die Gemeinde Kaarst nutzte die Räumlichkeiten als Gemeindesaal.[1] Durch den Schankraum der Gaststätte gelangte man zur Kegelbahn, auf der die Kegel zur damaligen Zeit noch von Hand aufgestellt werden mussten.

Im Haus von Brester war vor dem II. Weltkrieg die Schreinerei Pfeiffer ansässig. Hier hat auch der Kaarster Heimatforscher und Berufsschulpfarrer Monsignore Andreas Pfeiffer gelebt.

Im Haus der Familie Rosenthal wohnte auch die Lehrerin Elisabeth Rosenthal, die damals an der einzigen Kaarster Schule unterrichtete. Nach dem zweiten Weltkrieg hatte das Bestattungsinstitut Bückendorf im Haus von Rosenthal seine Geschäftsräume.[2]

Die Kaarster Mühle, die heute unter Denkmalschutz steht, war die erste Windmühle in der Gemeinde Kaarst. Sie wurde 1834 vom damaligen Bürgermeister Heinrich Huthmacher erbaut und aus eigener Tasche finanziert. Über viele Jahre trug sie den Namen Huthmacher Mühle. Nach einigen Müllerwechseln — unter anderem wurde sie von Johann Teloy bewirtschaftet — war die Mühle in den Besitz der Kaarster Genossenschaft gelangt und wurde von dieser 1921 verkauft.[3] Die Familie Everaerts war die letzte Eigentümerin der Mühle, die heute den Namen Everaerts Mühle trägt. 1947 brannte die Mühle bei einem Gewitter völlig aus. Sie wurde nicht wieder instand gesetzt. Nebenan wurde eine moderne Industriemühle errichtet, in der bis Anfang der 1970er-Jahre Getreide gemahlen wurde. Schließlich wurde der Mühlenbetrieb eingestellt und die Gebäude wurden vermietet.[4] Der ehemalige Bewohner der Mühle Günther Orke veranstaltete seit den 1990er-Jahren bis etwa 2005 regelmäßig einen Jazzfrühschoppen auf dem Mühlengelände. In diesen Jahren organisierte der Schützenzug „Männerjass“ dort einen Weihnachtsmarkt vor malerischer Kulisse. Beide Veranstaltungen erfreuten sich großer Beliebtheit. Heute befindet sich in der Mühle eine Krankengymnastikpraxis.

1913 begann die Nordstraße, die, wie die anderen Kaarster Straßen noch unbefestigt war, bei Motes. Sie führte an den genannten Häusern vorbei auf das Hagelkreuz zu, das damals schon an der heutigen Stelle stand, dort gabelte sich die Straße. Der rechte Weg führte zu den Buscherhöfen und der linke Weg führte an der Mühle vorbei weiter durch die Felder, vorbei an der „Krützer Kull“ und den „fünf Wegen“. Etwa in Höhe der Broicherseite führte der Weg über die 1856 fertiggestellte Eisenbahnlinie Neuss nach Krefeld.[5] Dort gab es ein Bahnwärterhäuschen und ein Bahnangestellter öffnete und schloss die Schranken. Dieses Procedere blieb bis in die späten 1960er-Jahre erhalten und endete mit dem Bau der L30, der neuen Verbindungsstraße nach Büderich. Der Weg endete auf Kaarster Gebiet am alten Evenhof an der Broicherseite. In den 1930er-Jahren wurde die Wegeführung geändert und die Straße führte seitdem direkt nach Büderich. Bis zuletzt war die alte Büdericher Straße ein Schotterweg mit tiefen Schlaglöchern, lediglich das Teilstück vom Dorf bis zur Mühle war geteert. Die Kaarster waren nicht besonders an einer Verbesserung des Straßenzustandes interessiert, schwebte doch das Damoklesschwert eines Zusammenschlusses mit Büderich zu einem „Amt Meer“ über ihnen, was sie kategorisch ablehnten.

Kaarst, Brüderlicher Straße, Die alte Büdericher Straße führte links am Hagelkreuz vorbei zur Kaarster Mühle und weiter bis zur Broicherseite, der rechte Weg führte zu den Buscherhöfen.
Die alte Büdericher Straße führte links am Hagelkreuz vorbei zur Kaarster Mühle und weiter bis zur Broicherseite, der rechte Weg führte zu den Buscherhöfen.
Kaarst, Brüderlicher Straße, Am historischen Evenhof auf der Broicherseite endete die Büdericher Straße auf Kaarster Gebiet.
Am historischen Evenhof auf der Broicherseite endete die Büdericher Straße auf Kaarster Gebiet.

Bei der Krützer Kull (Kreutzer Kuhle) handelt es sich um ein Stück Land mit lang zurückreichender Geschichte. Das Areal liegt nördlich neben der A52 kurz vor der Ausfahrt Kaarst. Hier standen bis nach 1800 das Hagelkreuz und der nach ihm benannte Kreuzer Hof. Schon kurz nach 1200 erscheint das Kreuz in den Urkunden.[15] Zur gleichen Zeit befindet sich ein Hof „zen busche iuxta crucem“ im Besitz der Abtei Mariensaal in Kaarst.[16] In einer Aufzeichnung im Kirchenbuch von 1495 heißt es über den damaligen Besitzer des Kreuzer Hofes: „Hermann am Cruytz besaß ein Kämpchen, gelegen bydem alde cruytz dat vurtzyden der Kirchenlant ys geweist.“[17] Aufzeichnungen aus dem 15. Jahrhundert berichten bereits von den heute noch praktizierten Bittprozessionen. Damals zog das ganze Dorf am Freitag nach Christi Himmelfahrt, dem sogenannten Hagelfeiertag, in einer Prozession zum Hagelkreuz, um Schutz für die Feldfrüchte zu erbitten. Am Kreuz wurden an diesem Tag reiche Spenden in Form von Brot und Getreide an die Armen verteilt.[18] Im Jahr 1624 wurde ein neues Hagelkreuz errichtet. Aus alten Kirchenrechnungen geht hervor, dass die Gemeinde dieses Kreuz ständig pflegen und restaurieren ließ.[19] 1642 — während des Dreißigjährigen Krieges — wurde das Hagelkreuz von hessischen Soldaten zerstört. Danach stand dort nur ein schlichtes Holzkreuz.[20] Auch der Kreuzer Hof blieb, wie das ganze Dorf, nicht ungeschoren. Sehr große Not herrschte auch im Siebenjährigen Krieg. Feindliche Truppen, ebenso wie verbündete, pressten die Kaarster Bevölkerung aus. Vom Kreuzer Hof wird berichtet, dass dort am 31.3.1761 80 Husaren erschienen sind und zwei Tage blieben und die Vorräte verbrauchten. Es blieb nicht einmal mehr Stroh für das Vieh.[21]

Nach 1800 verschwand der Kreuzer Hof. Das Hagelkreuz wurde ebenfalls zu dieser Zeit an die heutige Stelle versetzt und war in der Obhut des Baumeister Hofes.[22] Ferdinand Baumeister hat der Gemeinde die Stätte in den 1960er-Jahren geschenkt und diese hat das Kreuz, das 1853 von Josef Hannen erneuert wurde, unter Denkmalschutz gestellt.[23]

Kaarst, Büdericher Straße, Das 1853 erneuerte Hagelkreuz, das nach 1800 an seine heutige Stelle versetzt worden ist.
Das 1853 erneuerte Hagelkreuz, das nach 1800 an seine heutige Stelle versetzt worden ist.

 

Die fünf Wege

Mit den fünf Wegen ist eine Wegekreuzung bezeichnet, die hinter der Krützer Kull in Richtung Büderich lag. Der Hauptweg war die im Wege-Lagerbuch der Gemeinde Kaarst von 1857 als Evenweg bezeichnete Strecke vom Evenhof an der Broicherseite zur Kirche Alt St. Martinus im Dorf. Es war der Weg, den die Leute von diesem Hof zum Kirchgang benutzten. Er wurde auch als Even-Kirchweg bezeichnet. Im Wesentlichen folgte später die Büdericher Straße dem Verlauf dieses Weges. In einer Landkarte aus dem Jahr 1860 ist der Weg als Mellerweg bezeichnet und der Evenhof als Mellerhof. In einer Auflistung der Wirtschaftswege der Gemeinde Kaarst aus den 1950-Jahren heißt der Weg immer noch Mellerweg. In diesen Weg mündete der Fimmesweg ein, das war der Kirchweg der Bewohner des Fimmeshofes, den es heute nicht mehr gibt. Von Norden traf der Weg vom Tönishof auf die Kreuzung und von Süden der Weg von den Buscherhöfen und der fünfte Weg war die Weiterführung ins Dorf.[24]

Auch in Holzbüttgen hat es eine Büdericher Straße gegeben, die im Zuge der kommunalen Neugliederung 1975 in Rubinweg umbenannt worden ist.[25]

 

21.09.2015

 


 

[1] StA Kaarst N 16, Niederschrift der Sitzung des Rates der Gemeinde Kaarst vom 12.12.1950

[2] StA Kaarst 1.039, Wege-Lagerbuch der Gemeinde Kaarst

[3] StA Kaarst 1.036, Hausnummerierungen und Bezeichnung der Straßen

[4] StA Kaarst 23, Protokollbuch der Sitzungen des Rates der Gemeinde Kaarst

[5] Brockhaus Enzyklopädie in 24 Bänden. 19. Aufl. 1992, S.382

[6] StA Kaarst 3.093, Anweisung Nr. 38 der alliierten Kontrollbehörde

[7] StA Kaarst 3.093, Verfügung des Ordnungsamtes

[8] StA Kaarst N 17, Protokollbuch der Sitzungen des Rates der Gemeinde Kaarst

[9] Einwohnerverzeichnis der Bürgermeisterei Kaarst 1913

[10] Einwohnerverzeichnis der Bürgermeisterei Kaarst 1913

[11] Einwohnerverzeichnis der Bürgermeisterei Kaarst 1913

[12] Müllers, Carl: Die Genossenschaften in Kaarst (2). Kaarster Mitteilungen Nr.4/1969

[13] Vogt, Heinz: Die Rheinischen Windmühlen, S.381; Emsbach, Karl: Windmühlen im Kreis Neuss, S. 68 ff.

[14] Kirchhoff, Hans Georg: Geschichte der Stadt Kaarst, S. 330

[15] Pfeiffer, Andreas: Aus alten Akten, Urkunden und Kirchenbüchern. Unser Dorf in den Jahren 1610 bis 1660 (IV). Kaarster Mitteilungen Nr.13/1967

[16] Pfeiffer, Andreas: Die Zisterzienserinnen-Abtei - die „witte Kerk“ im Karlesforst. Kaarster Mitteilungen Nr.2/1966

[17] Pfeiffer, Andreas: Die St.-Martinus-Pfarrkirche im Karlesforst. Kaarster Mitteilungen Nr.15/1965

[18] Pfeiffer, Andreas: Aus alten Akten, Urkunden und Kirchenbüchern. Unser Dorf in den Jahren 1610 bis 1660 (IV). Kaarster Mitteilungen Nr.13/1967

[19] Pfeiffer, Andreas: Aus alten Akten, Urkunden und Kirchenbüchern. Unser Dorf in den Jahren 1610 bis 1660 . Kaarster Mitteilungen Nr.17/1967

[20] Klövekorn, Leo: Von alten Wegkreuzen und Bildstöcken (I). Kaarster Mitteilungen Nr.4/1968

[21] Pfeiffer, Andreas: Kaarst im 7jährigen Krieg. StA Kaarst Sammlung Pfeiffer

[22] Pfeiffer, Andreas: Aus alten Akten, Urkunden und Kirchenbüchern. Unser Dorf in den Jahren 1610 bis 1660 (IV). Kaarster Mitteilungen Nr.13/1967

[23] Klövekorn, Leo: Von alten Wegkreuzen und Bildstöcken (I). Kaarster Mitteilungen Nr.4/1968

[24] Karte der Bürgermeisterei Kaarst. Aufgenommen im Jahr 1860 unter der Leitung des Kataster-Kontroleurs Nonnenbruch

[25] StA Kaarst N 100, Protokollbuch der Sitzungen des Rates der Gemeinde Kaarst

 

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