Karlsforster Straße

Stadtteil: Kaarst

amtlich benannt zwischen 1911 und August 1913

heutiger Verlauf: von Giemesstraße bis Alte Heerstraße plus abzweigende Stichstraße nach Norden

früherer Verlauf: uralter Verbindungsweg vom Kirchdorf in die Lange Hecke ab etwa 1911 von der Giemesstraße bis Lange Hecke (heute Alte Heerstraße)

ab 1947 bis 1975 ab Mittelstraße bis Alte Heerstraße

Länge der Straße einschließlich eventueller Nebenwege: 1.149,22 m

 

Der Name Karlsforster Straße leitet sich ab von dem alten Namen für Kaarst. In einer Urkunde aus dem Jahr 1218 wird Kaarst als Karlessvorst oder Carlsvorst bezeichnet.[1]Der Überlieferung nach geht der Name auf Karl den Großen (747/8–814) zurück, der hier gejagt haben soll. Diese Geschichte ist vor langer Zeit im Volksmund entstanden und wird heute noch gerne erzählt. Wer aber dieser Karl war, der Kaarst den Namen gab, liegt bis heute im Dunkeln der Geschichte.

Die heutige Karlsforster Straße ist von der Giemesstraße bis zur Neuhofstraße ein ausgebauter Verkehrsweg. Sie geht dann über in einen breiten Wirtschaftsweg, der zwischen einem Wäldchen auf der linken Seite und dem Grundstück des Hauses Neuhofstraße 28 auf der rechten Seite verläuft, und führt schließlich als immer enger werdender Pfad durch ein kleines Waldstück bis zur Einmündung in die Alte Heerstraße. Gegenüber dieser Einmündung stand bis in die 1970er Jahre der Fußfall vom Steinwegshof, von den Kaarstern nur Bildstöckchen genannt. Der beschriebene Verlauf der Karlsforster Straße entspricht im Wesentlichen einem alten Weg, der 1857 im Wege Lagerbuch Kaarst unter der Nr. 3 als „Weg vom Dorfe Kaarst an der Vikarie vorbei bis in die Lange Hecke“ bezeichnet ist.[2] In anderen Aufzeichnungen wird diese Strecke als Lovenberger Kirchweg bezeichnet. Das ist der Weg, den in uralten Zeiten die Leute vom Rittersitz Lovenberg im Broicherdorf zur Kirche nahmen.[3]

Aus dem 19. Jahrhundert ist eine schreckliche Geschichte überliefert. Im Jahr 1859 wurde in dem kleinen Waldstück an der Karlsforster Straße die Leiche eines neugeborenen Jungen unter einer Laubschicht gefunden. Sein Mund war mit Laub vollgestopft worden, um ihn zu ersticken.[4]

Spätestens im August 1913 erhielt der Weg vom damaligen Gemeinderat den Namen Karlsforster Straße. Die Straße gehört zu den vierzehn Straßen im Ortsteil Kaarst, die damals erstmalig amtlich benannt wurden. Für die Karlsforster Straße wurden 1913 zwei Straßenschilder sowie neun Hausnummernschilder bestellt.[5] An der Ecke Giemesstraße war das Wohnhaus und die Schusterwerkstatt von Poschen, weitere sieben Häuser lagen auf dieser Straßenseite, u.a. die Schmiede von Baumeister und die alte Vikarie. Im letzten Haus auf dieser Seite lebte die Familie Hellenbroich. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite zweigt die sogenannte Pastorsallee von der Straße ab und führt zum alten Pfarrhaus. Auf dieser Seite der Karlsforster Straße lagen damals nur Gärten. Lediglich an der Ecke Giemesstraße standen Gebäudeteile des Stengshofes. Hinter dem Pastorat endete 1913 die Bebauung, und das freie Feld begann.[6]

 

Das Angebot vom 26.6.1913 der Firma Leineweber für die Lieferung von Hausnummernschildern (aus: StA Kaarst Nr. 1036)
Das Angebot vom 26.6.1913 der Firma Leineweber für die Lieferung von Hausnummernschildern (aus: StA Kaarst Nr. 1036)
Das Haus Hellenbroich mit hoher Windschutzhecke in den 1930er Jahren. 1975 wurde es abgerissen und durch ein Mehrfamilienhaus ersetzt (StA Kaarst D 3-3 Nr. 382)
Das Haus Hellenbroich mit hoher Windschutzhecke in den 1930er Jahren. 1975 wurde es abgerissen und durch ein Mehrfamilienhaus ersetzt (StA Kaarst D 3-3 Nr. 382)

Während des Zweiten Weltkrieges hatte man eine Scheinwerferstellung an der Karlsforster Straße errichtet. Sie stand zwischen dem sogenannten Koppe-Büschchen und dem heutigen Haus Neuhofstraße 28. Beim Bau dieses neuen Hauses wurde bei den Ausschachtungsarbeiten eine Bombe gefunden und vor Ort entschärft. In Richtung Ortsmitte, im Haus direkt gegenüber der Pastorsallee ist bei Kriegsende eine Kaarsterin getötet worden. Es heißt, sie habe am frühen Abend noch die Kellerfenster von außen verschließen wollen, dabei sei sie von den Amerikanern, die auf Kaarst vorrückten, erschossen worden.[7]

 Nach dem Krieg, im Jahr 1947 wurde die Kaiser-Karl-Straße ebenfalls in Karlsforster Straße umbenannt. Der Grund für diese Namensänderung war eine Verfügung des Innenministers des Landes Nordrhein-Westfalen, alle Plätze und Straßen, die noch Namen von Militaristen trugen, umzubenennen.[8]1975 wurde diese Maßnahme wieder rückgängig gemacht.

Im Jahr 1957 wurde vom Gemeinderat die „beiderseitige Bebauung der Karlsforsterstraße bis zum Weg nach Neuhof / Brester“ beschlossen.[9] Mit der Umsetzung dieses Beschlusses wurde 1963 begonnen und nach und nach entstand das sogenannte Dichterviertelmit der Weihwassersiedlung. Ebenfalls im Jahr 1963 wurde auf Antrag der Anwohner die Karlsforster Straße an die Gemeindewasserversorgung angeschlossen. Zu dieser Zeit war die Straße immer noch spärlich bebaut. Inzwischen gab es dort das Lebensmittelgeschäft Besen / Franzen. Die Familie Sturm, die zu dieser Zeit in der alten Vikarie lebte, hat ihr Speditionsunternehmen dort gegründet. Heute ist die Spedition Sturm ein Großunternehmen mit Standorten in ganz Deutschland und immer noch in Kaarst ansässig. Die Fläche zwischen dem Stengshofan der Giemesstraße / Ecke Karlsforster Straße und dem Pastorat war weiterhin Gartenland. Bis in die 1950er Jahre war die Karlsforster Straße unbefestigt. Der eigentliche Straßenausbau mit Bürgersteigen, Straßenbeleuchtung und Kanalisation erfolgte erst 1981.

Ein „Krupp Mustang“ mit 145 PS war der erste LKW der 1961 an der Karlsforster Straße gegründeten Spedition Sturm (StA Kaarst D 3-3 Nr. 144)
Ein „Krupp Mustang“ mit 145 PS war der erste LKW der 1961 an der Karlsforster Straße gegründeten Spedition Sturm (StA Kaarst D 3-3 Nr. 144)
Die Karlsforster Straße in Höhe des Pastorats mit Blick auf die alte Martinuskirche um 1930 (StA Kaarst D 3-3 Nr.143)
Die Karlsforster Straße in Höhe des Pastorats mit Blick auf die alte Martinuskirche um 1930 (StA Kaarst D 3-3 Nr.143)
Der inzwischen abgerissene Stengshof in den 1960er Jahren. Hier war schon nach dem Dreißigjährigen Krieg eine Gastwirtschaft (StA Kaarst D 3-3 Nr. 142)
Der inzwischen abgerissene Stengshof in den 1960er Jahren. Hier war schon nach dem Dreißigjährigen Krieg eine Gastwirtschaft (StA Kaarst D 3-3 Nr. 142)

Heute im Jahr 2018, mehr als 60 Jahre nach dem Ratsbeschluss, ist die Karlsforster Straße auf beiden Seiten dicht bebaut mit Einfamilienhäusern. Rechts und links führen neu angelegte Straßen in die mittlerweile entstandenen Wohngebiete. Ein weiteres bisher noch landwirtschaftlich genutztes Areal um den abzweigenden Stichweg, der ebenfalls den Namen Karlsforster Straße trägt, soll in Kürze erschlossen und bebaut werden.

Die Karlsforster Straße im Winter 2010 (Fotograf: Hans Hüsen – StA Kaarst D 3-3 Nr. 312)
Die Karlsforster Straße im Winter 2010 (Fotograf: Hans Hüsen – StA Kaarst D 3-3 Nr. 312)

Mitte der 1970er Jahre wurde der Otto-Krott-Kindergarten an der Karlsforster Straße erbaut. Im Jahre 2007, nach der Fusion mit dem Roncalli-Kindergarten, der an der Alte Heerstraße lag, erhielt er den Namen Benedictus-Kindergarten. Der alte Name erinnerte an Pastor Otto Krott, der von 1940 bis 1965 Pfarrer in Kaarst war, und als letzter Geistlicherim alten Pastorat seinen Wohnsitz hatte.

Blick durch die sogenannte Pastorsallee auf das alte Pastorat mit Nebengebäuden. Das Foto wurde in den 1930er Jahren vom damaligen Pastor Collings aufgenommen (StA Kaarst D 3-3 Nr. 145)
Blick durch die sogenannte Pastorsallee auf das alte Pastorat mit Nebengebäuden. Das Foto wurde in den 1930er Jahren vom damaligen Pastor Collings aufgenommen (StA Kaarst D 3-3 Nr. 145)

Das alte Pastorat liegt nicht unmittelbar an der Karlsforster Straße. Es ist durch eine etwa 80 Meter lange von Linden und Kastanien gesäumte Allee, die sogenannte Pastorsallee, mit der Karlsforster Straße verbunden. Sowohl das Pastorat als auch die Allee sind denkmalgeschützt.[10]   

Das Pfarrhaus und die Vikarie sind 1575 in Kirchenbüchern unter der Bezeichnung großer und kleiner Wedenhof erwähnt.[11] Wann diese Wedenhöfe erbaut worden sind und an welchem Standort, ist uns nicht bekannt. Aus alten Aufzeichnungen wissen wir, dass 1585 im Truchsessischen Krieg der „große Wedenhof ausgeplündert, ausgeraubt und verbrannt“ wurde.[12] Erst 1607 konnte dieser Hof wieder aufgebaut werden.[13] Der damalige „Pastor Theis musste in einer Notunterkunft hausen“ und starb dort 1608.[14] Im Dreißigjährigen Krieg wurde der große Wedenhof von den Hessen, die in Kaarst gewütet haben, geplündert und gebrandschatzt. Diese Verwüstung fand vor dem Jahre 1645 statt.[15] Das heute noch erhaltene Pfarrhaus wurde 1789-1792 neu erbaut, „da das alte 1660 erbaute Fachwerkhaus zusammenzufallen drohte. Das neue Pastorat wurde nicht mehr an der alten Stelle errichtet, sondern nebenan auf einem trockenen höhergelegenen Platz“. Obwohl noch 1663 sowohl das Pastorat als auch die Vikarie als geistliche Höfe verzeichnet sind, hatte die Gemeinde Ende des 18. Jahrhunderts die Kosten für den Neubau des Pfarrhauses zu tragen. Zur Finanzierung wurden Teile aus der Allmende verkauft.[16] Bis in die 1960er Jahre diente das alte Pastorat als Wohnung für die Kaarster Geistlichen. Seitdem wird es als privates Wohnhaus genutzt.

 

Die Alte Vikarie in den 1930er Jahren. Im Vordergrund die sogenannte Pastorsallee (Ausschnitt aus StA Kaarst D 3-3 Nr. 388)
Die Alte Vikarie in den 1930er Jahren. Im Vordergrund die sogenannte Pastorsallee (Ausschnitt aus StA Kaarst D 3-3 Nr. 388)

Die alte Vikarie war ein Fachwerkhaus mit Gewölbekeller. Das Haus wurde 2010 abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. In alten Aufzeichnungen finden wir eine Notiz, die besagt, dass 1771 für den Schornstein der Vikarie 300 Steine benötigt wurden, die mit 50 Stübern bezahlt worden sind.[17] In einem 1794 fertiggestellten Bauernhofkataster wird als Standort der Vikarie angegeben: „an der Heyden gelegen am Dorf“.[18] Im Zuge der Säkularisierung wurde die Vikarie im Jahre 1804 an Notar Eberhard Dünbier aus Neuss verkauft. Das Kaufobjekt wurde wie folgt beschrieben: 1 Haus, 1 Speicher, 1 Scheune, 1 Stall, Garten (1) , 0,16 Baumgarten. Der Kaufpreis wurde mit Francs 710,-- angegeben.[19] Der Heimatforscher Dr. Jakob Bremer schreibt, dass bei der „Umgestaltung der kirchlichen Verhältnisse durch die französische Besetzung das beschlagnahmte Vikariegut in Kaarst in andere Hände überging (in Kaarst für 150 Reichstaler, jetziger (ca. 1930) Besitzer Wilhelm Michels)“.[20] Einwohnerverzeichnisse aus den Jahren 1903, 1910 und 1913 weisen das Haus als Wohnung der jeweiligen Vikare aus. Im Jahr 1958 hat die Familie Sturm die Vikarie von der Kirche gekauft.[21] Die Eigentumsverhältnisse der Vikarie zwischen 1804 und 1958, speziell wann und wie das Objekt in den Besitz der katholischen Kirche gelangt ist, konnten wir bisher nicht feststellen.

 

 

23.04.2018

 


 

[1] Kirchhoff, Hans Georg: Geschichte der Stadt Kaarst , Seite 34.

[2] StA Kaarst Nr. 1039.

[3] Pfeiffer, Andreas: Die St.-Martinus-Pfarrkirche im Karlesforst, in: Kaarster Mitteilungen 1 (1965) Nr. 11.

[4] StA Kaarst B 10 Nr. 217.

[5] StA Kaarst Nr. 1036.

[6] Einwohnerverzeichnis der Bürgermeisterei Kaarst, Stand 1913.

[7] Zeitzeuge Hans Hüsen: Koppebüschchen ( Volksmund ) von Familienname Koppen, Büschchen = kleines Waldstück.

[8] StA Kaarst Nr. 3093: Alliierte Kontrollbehörde Kontrollrat Anweisung Nr. 38.

[9] Niederschrift der Kaarster Gemeinderat Sitzung vom 12. Juli 1957. Brester Bauernhof südlich, Neuhof Bauernhof nördlich der Karlsforster Straße

[10] Liste der Baudenkmäler in Kaarst, Stand 31.12.2015.

[11] Pfeiffer Andreas: Kaarster Mitteilungen 1966 Nr. 25 und Bremer, Jakob: Das kurkölnische Amt Liedberg. S. 803: großer und kleiner Widemhof.

[12] Pfeiffer, Andreas: Kaarst im Truchsessischen Kriege, in: Kaarster Mitteilungen 3 (1967) Nr. 1.

[13] Pfeiffer, Andreas: Alt-Kusen – Haus Lovenberg, in: Kaarster Mitteilungen 2 (1966) Nr. 11.

[14] Pfeiffer, Andreas: Aus alten Akten, Urkunden und Kirchenbüchern, Unser Dorf in den Jahren 1610-1660, in: Kaarster Mitteilungen 3 (1967) Nr. 11.

[15] Pfeiffer, Andreas: Kaarst 1610-1650, in: Kaarster Mitteilungen 3 (1967) Nr. 18.

[16] Kirchhoff, Hans Georg: Geschichte der Stadt Kaarst, S. 280-289.

[17] Privatsammlung Michels: Peschkes, Heinrich: Aufzeichnungen von 1757 – 1771, Übertragung durch Hans Hüsen.

[18] StA Kaarst Zug. Nr. 78/2015: Kataster der Kaarster Bauernhöfe von 1794, Übertragung durch Hans Hüsen.

[19] Schieder, Wolfgang: Säkularisierung und Mediatisierung in den vier rheinischen Departements 1803 – 1813, Teil V,2: Roer-Dept.

[20] Bremer Jakob: Das Kurkölnische Amt Liedberg, S. 475

[21] Auskunft der Familie Sturm.

 

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